Multi Jet Fusion
Multi Jet Fusion ist ein pulverbasiertes 3D-Druckverfahren. Aufgrund der hohen Bauteilqualität, des hohen Durchsatzes und der niedrigen Stückkosten ist diese additive Fertigungstechnologie insbesondere für Funktionsteile und (Klein-)Serienbauteile geeignet. Multi Jet Fusion ermöglicht die Produktion von langlebigem und widerstandsfähigem Polyamid 12, Polyamid 12 W, elastischem TPU und flexiblem Polyamid 11, in kurzen Vorlaufzeiten, auch für höhere Stückzahlen.
Kurzinfos
Technologie
Multi Jet Fusion
Farben
grau, schwarz, weiß, farbig
Bauraum
mind. 10 mm
max. 380 mm
Produktionszeit
ab 4 Arbeitstage
Genauigkeit
materialabhängig
Das Druckverfahren Multi Jet Fusion
Multi Jet Fusion ist eine pulverbettbasiertes, additives Produktionsverfahren. Konkret erfolgt im ersten Produktionsschritt zunächst das Auftragen einer geschlossenen Pulverschicht. Das Rohmaterial ist weiß und hat eine mittlere Korngröße von ca. 60 µm bei Polyamid.
Auftragen einer geschlossenen Pulverschicht – HP Multi Jet Fusion (Quelle: 3D-Druck mit der HP Multi Jet Fusion Technologie – Funktionsweise und Potentiale)
Im zweiten Schritt werden auf die Pulverschicht die zu schmelzenden Bereiche mit einer schwarzen Flüssigkeit bzw. Tinte, dem „Fusing Agent“, bedruckt. Am Druckkopf befindet sich integrierte Heizquellen (Infrarot-Licht), die das Pulverbett direkt nach dem Auftrag der Tinte erhitzen. Die schwarzen, mit dem Fusing Agent bedruckten Bereiche absorbieren dabei mehr Energie als die unbedruckten weißen Bereiche und schmelzen und erstarren, sobald die Hitzequelle entfernt wurde.
Fusing Agent – HP Multi Jet Fusion (Quelle: 3D-Druck mit der HP Multi Jet Fusion Technologie – Funktionsweise und Potentiale)
Ein weiterer Wirkstoff, der „Detailing Agent“, wird zum Isolieren genutzt. Er wird um die mit dem Fusing Agent bedruckten Bereiche herum aufgetragen. Der „Detailing-Agent“ ist erforderlich, um an den Übergangsbereichen als thermischer Isolator zu fungieren und damit die Detailauflösung zu maximieren.
Bild: HP; HP’s White Paper über die Multi Jet Fusion Technologie
Das Leistungsvermögen dieses Systems ist erstaunlich. Pro Sekunde werden 300 Millionen Tropfen Flüssigkeit mit einer Genauigkeit von 21 µm abgegeben. Obwohl diese Technologie sehr komplex ist, hat sie signifikante Vorteile:
- Isotropie: Im Gegensatz zu den meisten anderen additiven Fertigungsverfahren sind die 3D-gedruckten Objekte weitgehend isotrop. Das bedeutet, die mechanischen Kennzahlen eines Bauteils sind (weitgehend) unabhängig von seiner Richtung.
- Geschwindigkeit: Typischerweise fertigen wir 180 bis 200 Bauteile in einem Druckgang von 12 Stunden. Damit ist MJF mit einem Schnitt von 3 bis 4 Minuten pro Bauteil eines der produktivsten additiven Fertigungsverfahren.
- Auflösung: Durch die kleinen Tropfen hat das Multi Jet Fusion System eine Auflösung von 1.200 dpi entlang der X-Y-Achse. Dank des schnellen Druckprozesses können auch kleinere Schichthöhen von nur 80 µm wirtschaftlich verwendet werden.
- Dichte: Die „Agents“ decken den gesamten Modellbereich ab und verschmelzen gleichmäßig. Nach dem Verschmelzen haben die Bauteile eine nahezu 100%ige Materialdichte, lediglich die Oberfläche ist leicht porös. Durch die Oberflächenversiegelung mit Vapor Smoothing können die Bauteile vollständig abgedichtet und auch für gas- und flüssigkeitsführende System eingesetzt werden.
Prozesskette
Die industrielle additive Fertigung umfasst vor und nach dem eigentlichen 3D-Druck zahlreiche Prozessschritte. Jeder dieser Schritte ist qualitätsoptimiert: eine Übersicht dazu finden Sie auf der Seite „Zertifizierte additive Fertigung bei 3Faktur“
Wir halten europaweit eine der umfangreichsten Prozessketten für diese Technologie vor. Neben den hier genannten Anlagen arbeiten wir mit zahlreichen weiteren Komponenten in der Peripherie: beispielsweise eine industrielle Klimatisierungs- und Lüftungstechnik, Messinstrumente sowie proprietäre IT-Systeme zur Produktionssteuerung und Automatisierung von Geschäfts- und Produktionsprozessen.
Mitarbeiter bei der Bearbeitung von CAD Daten
1 / Datenprüfung: Die CAD Daten werden individuell auf ihre Produzierbarkeit geprüft und ggf. Verbesserungsmöglichkeiten mit unseren Kunden besprochen.
Nesting der Bauteile während der Datenvorbereitung
2 / Datenvorbereitung: Jedes Bauteil wird individuell orientiert sowie alle Produktionsschritte und -parameter definiert. Nach diesem Vorgang erfolgt das „Nesting“, bei dem die Bauteile ineinander verschachtelt werden. Dies ergibt den sogenannten Printjob, welcher an die Maschine übertragen wird.
Multi Jet Fusion 3D-Drucker während der Inspektion
3 / 3D-Druck: Der eigentliche 3D-Druck nimmt je nach Material und Anlage 12 bis 16 Stunden in Anspruch. Wir arbeiten mit vier Multi Jet Fusion 3D-Druckern (1 x 4210, 2 x 5210, 1 x 5420) von HP.
Baueinheiten während der Abkühlung
4 / Abkühlphase: Die Bauräume werden nach erfolgtem Druck aus dem Drucker entfernt und kühlen langsam 48 bis 72 Stunden von > 150 °C auf 22 °C ab. Dadurch werden Bauteilschäden (z.B. Schrumpfungen, Verzug, Oberflächenschäden) reduziert.
Automatische Auspackstation mit separierten Bauteilen
5 / Entpacken: Der Bauraum ist nach dem Druck vollständig mit Pulver gefüllt. Die Bauteile müssen aus diesem so genannten „Pulverkuchen“ entfernt werden. Dieser Prozessschritt erfolgt inzwischen überwiegend automatisiert.
Modernste Strahlkabine mit Automatisierungstechnik
6 / Reinigen: Durch die hohen Temperaturen ist Restpulver an den Bauteilen „angeschmolzen“. Dieses wird mechanisch und weitgehend automatisiert per Glasperlenstrahlen entfernt (zwei Strahlkabinen von MHG: 1 x Reinigung SMG 160; 1 x Shot Peening SMG 50).
Modernste, KI-basierte automatische Bauteilerkennung und -sortierung
7 / Sortieren: In jedem Printjob werden mehrere Dutzend bis tausende Bauteile produziert. Aus Qualitätsgründen ist dabei eine Durchmischung verschiedener Teile sinnvoll. Diese nach dem Druck auf die nachfolgenden Schritte bzw. Aufträge zuzuordnen ist ein sehr arbeitsintensiver Prozess, den wir mit Hilfe modernster KI-basierter Automatisierungstechnik lösen (automatisches Bauteil-Erkennungs-, Sortier- und Verpackungssystem von AM-Flow).
Bauteile im Färbebecken
8 / [Optional] Färben: Bei schwarzen Bauteilen erfolgt eine Tauchfärbung der Bauteile.
Bauteil in der Bearbeitungstrommel beim Shot Peening
9 / [Optional] Shot Peening: Alle schwarzen Bauteile unterlaufen einem zweiten Strahlgang mit einem anderen Strahlmedium, bei dem die Oberfläche verdichtet wird („Shot Peening“ bzw. „Verdichtungsstrahlen“). Der Vorgang findet in einer dafür optimierten Strahlkabine teilautomatisiert statt.
Anlage zum chemischen Glätten
10 / [Optional] Vapor Smoothing: Auf Wunsch kann eine chemische Glättung erfolgen, um eine glatte, porenfreie Oberfläche zu erhalten. (AMT SF 50 Anlage zum Vapor Smooting).
Prüfbericht nach erfolgter Qualitätskontrolle
11 / Qualitätskontrolle: Die Qualitätskontrolle ist einer unserer aufwändigsten Arbeitsgänge. Neben den eigentlichen Bauteilen werden auch Fertigungsbegleitproben bei jedem Zyklus produziert und ausgewertet. Dies ermöglicht uns ein frühes Eingreifen, beispielsweise bei sich andeutendem Verbrauchsmaterialverschleiß, und stellt eine höchstmögliche Replizierbarkeit sicher.
Automatisches Verpacken und Beschriftung mit der Anlage AM Bagging
12 / Verpackung & Versand: Nach Freigabe der Bauteile erfolgen die finale Zuordnung, Verpackung und Versand. Die Zuordnung und ein Teil der Verpackung konnten wir mit der Anlage „AM Bagging“ inzwischen ebenfalls automatisieren.
Anwendungen
Mit Multi Jet Fusion können stabile, langlebige Kunststoffbauteile additiv gefertigt werden. Die Anwendungen erstrecken sich über alle Industrien, z.B.
Gehäuse
Mechanisch, thermisch und chemisch belastbare Gehäuse können schnell und effizient gefertigt werden.
Strukturelle Elemente
Komponenten aus dem „Innenleben“ von Maschinen und Anlagen können auch mit sehr komplexen Geometrien hergestellt werden.
Gewichts- bzw. topologieoptimierte Bauteile
Durch die Möglichkeiten Hinterschneidungen bzw. Gitternetzstrukturen zu drucken, ist Multi Jet Fusion für den Leichtbau optimal.
Data courtesy of GOT/3Faktur
Vorrichtungen
Stabile Materialien mit unendlicher geometrischer Komplexität: Multi Jet Fusion ist hervorragend für den Bau von Vorrichtungen geeignet.
Data courtesy of Invent Medical
Orthesen
Insbesondere das Material TPU findet inzwischen großen Einsatz bei der Produktion von patientenspezifischen Orthesen.
Data courtesy of 3Faktur
Gas- und flüssigkeitsführende Komponenten
Durch das Finishing mit Vapor Smoothing können vollständig dichte Bauteile erstellt werden.
Nachbearbeitung
Unbearbeitet
Graue Bauteile, die bei nicht sichtbaren Komponenten zum Einsatz kommen.
Schwarzfärbung & Shot Peening
Gefärbte und oberflächenbearbeitete Bauteile die v.a. bei Sichtteilen eingesetzt werden.
Mehr Infos zur Färbung
Mehr Infos zum Shot Peening
Vapor Smoothing (chemisches Glätten)
Schwarz gefärbte, chemisch geglättete und versiegelte Oberflächen für zahlreiche Anwendungen.
Mehr Infos zum Vapor Smoothing