Chemische Glättung
Chemische Glättung bei 3Faktur

Abbildung: AMT SF 50 bei 3Faktur / Quelle: 3Faktur
3Faktur arbeitet mit der Vapor Fusion Anlage PostPro SF 50 des britischen Herstellers AMT. Sie können diese Dienstleistung bei 3Faktur für alle bestellten PA 12 Bauteile hinzubuchen.
Funktionsweise der chemischen Glättung
Beim chemischen Glätten werden die zu bearbeitenden Bauteile in einer geschlossenen Kammer einem verdampften Lösemittel ausgesetzt. Das Lösemittel kondensiert an der Oberfläche führt zu einem partiellen Lösen („Schmelzen“) der bei 3D-Druck Bauteilen oft rauen Oberfläche. Durch die Verflüssigung der Oberfläche werden Poren geschlossen und kleine Unebenheiten ausgeglichen. Im Ergebnis entsteht eine glatte, praktisch porenfreie Oberfläche.
Abbildung: Funktionsweise Vapor Smoothing / Quelle: AMT / Youtube
Oberflächenrauheit
- Unbearbeitet: typischerweise Ra 5 – 10 µm; Oberseite eher rau (9 – 11 µm), Unterseite eher glatt (~ 4 – 6 µm)
- Chemische Glättung: ~2 – 3 µm an der Unterseite, die Oberseite geringfügig höher (~ 3 – 5 µm)
Anwendungen
Vapor Smoothing bieten wir derzeit nur für das Material Polyamid 12 (PA 12) an. Für diesen Nachbearbeitungsprozess gibt es vier wesentliche Anwendungsfelder: Sichtteile, gas- oder flüssigkeitsführende Komponenten, vereinfachte Reinigung und Verbesserung der mechanischen Belastbarkeit.
Gas- oder Flüssigkeitsführende Komponenten

Abbildung: Beispiel mit Vapor Smoothing bearbeitete flüssigkeitsführende Komponente / Quelle: AMT
Mit dem Multi Jet Fusion Verfahren können Bauteile mit einer hohen Dichte gefertigt werden, die bei entsprechender Wandstärke häufig unbearbeitet schon ‚dicht‘ sind. Problematisch kann jedoch die relativ hohe Porosität der Oberfläche sein. Durch diese Poren können Gase entweichen bzw. Flüssigkeiten durch Kapillareffekte an der Oberfläche entlang „wandern“, wodurch undichte Stellen entstehen.
Durch die chemische Glättung werden Oberflächen vollständig geschlossen. Die bearbeiteten Bauteile eignen sich damit insbesondere für Anwendungen, bei der Dichtigkeit funktional notwendig ist.
Vereinfachte Reinigung bzw. reduzierte mikrobielle Haftung

Abbildung: Wasserabweisende Eigenschaften tragen zur leichten Reinigung bei / Quelle: AMT
Die beim pulverbasierten 3D-Druck entstehenden typischen rauen Oberflächen sind schwierig zu reinigen. Durch die Porosität der Oberfläche werden Flüssigkeiten regelrecht aufgesaugt. Bei Einsatzgebieten wie im Reinraum oder in der Medizin- und Labordiagnostik ist jedoch eine Reinigung bzw. Desinfektion zwingend notwendig.
Die chemische Glättung senkt die Rauigkeit. Gleichzeitig werden alle Poren verschlossen, welches zu einem hydrophoben Effekt auf der Oberfläche führt (Siehe Abbildung). Dadurch lassen sich die Bauteile deutlich einfacher reinigen und können in sensiblen Bereichen eingesetzt werden. Die geringere Oberflächenrauheit führt damit auch zu einer verminderten mikrobiellen Anhaftung.
Sichtbauteile

Durch den erzielten Glanz und die angenehme Haptik sind insbesondere kleinere bis mittelgroße additiv gefertigte Bauteile nach dem Vapor Smoothing kaum von Spritzguss-Teilen zu unterscheiden.
Bei größeren Flächen bzw. Bauteilen können technisch bedingte Oberflächen-Effekte, wie z.B. Druckkopflinien, verstärkt werden. Mit einer gezielt digital eingearbeiteten Oberflächenstruktur (z.B. Pyramiden, organische Strukturen, wie Holz- oder Lederstrukturen) können jedoch hervorragende Ergebnisse erzielt werden.
Verbesserung der mechanischen Eigenschaften
Die Porosität der Oberfläche ist lediglich wenige Zehntel stark (ca. 0,1 -0,2 mm). Bei Wandstärken von >3 mm ist der Einfluss der Oberfläche auf die mechanische Stabilität vernachlässigbar. Bei dünnen Wandstärken verhält sich dies jedoch anders, insbesondere bei sehr dünnen Wandstärken (< 1 mm) bestimmt die Oberfläche die mechanischen Eigenschaften im Wesentlichen. Durch die Porosität entstehende Mikrorisse verringern die Stabilität erheblich.
Durch die Bearbeitung im Vapor Smoothing wird die Rauigkeit deutlich reduziert und Mikrorisse weitgehend geschlossen, daraus ergibt sich eine verbesserte Belastbarkeit, welche sich z.B. in einer um ca. 25% verbesserten Bruchdehnung äußert. Dieser Effekt reduziert sich mit steigender Wandstärke.
Relevant ist dies u.a. für Filmscharniere, Gitternetzstrukturen, gedruckte Gewinde, abstehende oder andere filigrane Elemente.
Besonderheiten der chemischen Glättung
Die Bauteile werden an einer Vorrichtung aufgehangen und in die Bearbeitungskammer geschoben. Dort werden sie lediglich wenige Sekunde dem verdampften Lösungsmittel ausgesetzt, welches an der Bauteiloberfläche kondensiert und dort einige Minuten einwirkt. Danach folgt ein ca. 30 – 45-minütiger Trocknungsprozess, bei dem das Lösemittel vollständig von der Oberfläche verdampft. Die Kammer ist während der Bearbeitung und Trocknung komplett luftdicht verschlossen. Im Anschluss an die Trocknung wird die Vorrichtung aus der Kammer entfernt und die bearbeiteten Bauteile von der Vorrichtung genommen.
Die meisten Bauteile können ohne weiteres an vorhandenen Strukturen aufgehangen werden. Bei einigen Geometrien ist allerdings eine zusätzliche Struktur erforderlich, die das Aufhängen ermöglicht bzw. erleichtert.
FAQ Chemische Glättung
Wie hoch sind die Bearbeitungskosten je Bauteil?
Die Stückkosten berechnen sich v.a. nach der Größe und der Oberfläche des Bauteiles. Im Allgemeinen liegen die Kosten im niedrigen bis mittleren einstelligen EUR Bereich je Bauteil, allerdings mit einem Mindestumsatz von EUR 25,- zzgl. MwSt. für eine Bauteilgeometrie. Anhand Ihrer CAD-Daten können Sie sich die Kosten in unserem Online-Kalkulator berechnen lassen.
Muss ich Strukturen an dem Bauteil anbringen, damit es in der Bearbeitungskammer aufgehängt werden kann?
Sollte die Geometrie Ihres Bauteils nicht geeignet sein, um es in der Kammer optimal aufzuhängen, setzen wir uns mit Ihnen in Verbindung. Sofern das Anbringen einer Struktur notwendig ist, können Sie dies tun oder wir übernehmen es. Bei letzterem Fall selbstverständlich in Absprache mit Ihnen.
Ändern sich die Maße bzw. Genauigkeit des Bauteils?
Die Änderungen sind minimal und liegen typischerweise unter 0,4%. Bei großen, flachen Objekten, die bereits im Druck verzugsgefährdet sind, kann es zu Verzug bzw. Verstärkung der Verzugseffekte kommen.
Findet eine Kantenabrundung statt?
Die Bearbeitung findet im µm Bereich statt und hat keinen merklichen Effekt auf Kanten. Lediglich sehr filigrane Elemente, insbesondere Schrift, kann durch die Bearbeitung etwas ‚unscharf‘ werden.
Ändern sich die mechanischen Kennzahlen des Materials?
Beim Multi jet Fusion Verfahren ist das 3D gedruckte Material im Inneren dicht (ca. 98 – 100% Dichtigkeit), die Oberfläche jedoch porös. Je geringer die Wandstärke ist, desto mehr beeinflusst die Eigenschaft der Oberfläche das Gesamtverhalten und reduziert die mechanische Belastbarkeit entsprechend.
Durch die Reduktion der Porosität bei der chemischen Glättung wird die mechanische Belastbarkeit dünner Wandstärken erhöht. Das Verfahren hat also einen positiven Effekt auf die Belastbarkeit.
Je dicker die Wandstärke ist, desto geringer fällt dieser Effekt jedoch aus.
Bleibt Lösungsmittel an dem Material erhalten?
Der Hersteller des Verfahrens sichert zu, dass keine nennenswerten Mengen des Lösungsmittels am Material verbleiben. Unsere eigenen Analysen dazu bestätigen bisher diese Aussage.
Verlängert sich die Produktionszeit der bestellten Bauteile durch die chemische Glättung?
Bei einer Kombination mit Schwarzfärbung kann sich die Produktionszeit um bis zu 1 Werktag verlängern. Dies resultiert aus den benötigten Trocknungsphasen für beide Prozesse, die meist nicht am selben Werktag durchgeführt werden können.