Polyamide und Ihre Bedeutung für den 3D-Druck

Polyamid Symbolbild

Unter den Kunststoffen, die im 3D-Druck zur Anwendung kommen, haben Polyamide (kurz PA) eine herausragende Stellung. Die Bekanntesten unter ihnen sind PA 6, PA 11 und insbesondere PA 12. In diesem Artikel geben wir eine kurze Übersicht darüber, was Polyamide sind, welche Arten von Polyamiden es gibt und welche anderen Polymere im 3D-Druck Verwendung finden.


Polyamide

Diese Gruppe von Kunststoffen ist vielseitig einsetzbar und findet Anwendung in so unterschiedlichen Industrien wie der Textilindustrie, Medizintechnologie und im Automobilbau.

Chemisch betrachtet handelt es sich dabei um sehr lange Molekülketten. Diese bestehen aus sich wiederholenden Bausteinen (genannt Monomere), welche durch Amidbindungen miteinander verkettet sind. Die Bezeichnung Polyamid heißt vereinfacht ausgedrückt auch nichts anderes als „viele Amide“.

Eine Besonderheit der Polyamide ist ihre lineare Struktur und die Tatsache, dass die Ketten untereinander nicht vernetzt sind. Daher gehören die Polyamide zu den Thermoplasten. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch Wärmezufuhr verformbar werden und durch Abkühlen in der neuen Form bestehen bleiben. Diesen Vorgang kann man durch erneute Wärmezufuhr wiederholen. Dies unterscheidet die Thermoplaste von den Duroplasten (Polyurethan, Epoxid, etc.), bei denen die Zugabe von Wärme zur Zerstörung der Struktur führt.

Bei der Familie der Polyamide bestimmen die Bausteine (Monomere) über die Eigenschaften des einzelnen Polyamids. Das beliebte PA 6 wird aus Caprolactam hergestellt, wohingegen PA 12 aus Laurinlactam oder ω-Aminododecansäure hergestellt wird. Die Zahl gibt dabei die Anzahl der Kohlenstoffatome (‚C‘) im Monomer an, z. B. 6 bei PA 6 bzw. 12 bei PA 12. Die für den 3D-Druck relevanten Polyamide sind PA 6; PA 6.6; PA 11 und im Pulverdruck insbesondere PA 12.

HP Multi Jet Fusion - Filter
HP Multi Jet Fusion - cover
Lasersintern - PA12 PA2200 - Beispiel Leiterplatte

Beispiele für 3D-gedruckte Polyamid-Bauteile. Links & Mitte: Multi Jet Fusion Teile in HP HR PA 12; Links ein Lasersinter-Teil in PA2200 (PA 12).


Übersicht über die wichtigsten Polyamide

PA 6

PA 6 (Perlon) wurde als Nachahmerprodukt für PA 6.6 (Nylon) entwickelt, um von den Eigenschaften des Originals zu profitieren, ohne das patentgeschützte Produkt selbst kaufen zu müssen. Die Herstellung von PA 6 erfolgt durch eine ringöffnende Polymerisation von ε-Caprolactam.
Eigenschaften:
Es ist ein sehr zähes Material, dass eine hohe Zugfestigkeit sowie Elastizität besitzt. Außerdem ist es abreibfest und zeichnet sich durch eine hohe chemische Beständigkeit (Säuren und Laugen) aus.

Anwendungen:
Das Hauptanwendungsgebiet ist die Herstellung von verwebbaren Garnen und Industrietextilien. PA 6 kann aber auch als „Ersatz“ für metallische Werkstoffe verwendet werden.

Strukturformel:

Strukturformel PA 6

PA 6.6

PA 6.6 ist quasi das echte (originale) Nylon. Der chemische Aufbau von PA 6 und PA 6.6. ähnelt sich. Der einzige Unterschied besteht in einer –CH2–NH–CO-Gruppe, die gespiegelt wird, dadurch haben beide Kunststoffe ähnliche physikalische Eigenschaften. Allerdings sind E-Modul und Kristallisationsgrad von PA 6.6 aufgrund der vorhandenen Punktsymmetrie höher. Hergestellt wird der Kunststoff durch eine Polykondensation von Hexamethylendiamin und Adipinsäure.
Eigenschaften:
Objekte aus PA 6.6 zeichnen sich durch eine hohe Festigkeit und Zähigkeit sowie eine gute Stabilität auch unter Hitzeeinfluss aus. Weiterhin findet es immer dann Verwendung, wenn eine hohe chemische Resistenz gefordert ist. Außerdem besticht das Material durch seine geringe Gas- und Dampfdurchlässigkeit.

Anwendung:
PA 6.6 ist ein beliebtes Material für Lebensmittelverpackungen. Das Hauptanwendungsgebiet ist die Produktion von verwebbaren Garnen und Industrietextilien. Aber auch Gegenstände die hohen mechanischen und thermischen Belastungen ausgesetzt sind (Gleitlager, Zahnräder, etc.) werden aus PA 6.6 hergestellt.

Strukturformel:

Strukturformel PA 6.6

PA 11

Grundstoff für die Herstellung von PA 11 ist Rizinusöl. Es ist ein linear aufgebauter und teilkristalliner Kunststoff, aus der Gruppe der Homopolymere.
Eigenschaften:
Polyamid 11 ist physiologisch unbedenklich und bei Temperaturen von über 121 °C autoklavierbar. Weiterhin kann es durch Gammastrahlung oder mit Ethylenoxid sterilisiert werden. Das Material ist dimensionsstabil und chemisch sowie mechanisch beständig.

Anwendungen:
Die Eigenschaften von PA 11 ermöglichen einen Einsatz des Materials in medizinischen Bereichen (z. B. Katheter, Blutspendebeutel, etc.) aber auch für die Herstellung von Schläuchen und Rohren und sogar für hydraulische Anwendungen eignet es sich.

Strukturformel:

Strukturformel PA 11

PA 12

Der leichteste unter den Polyamidkunststoffen ist ebenfalls ein teilkristalliner, linearer Kunststoff, dessen Dichte nach der Verarbeitung bei etwas über 1 liegt.
Eigenschaften:
PA 12 ist gewebeverträglich, dimensionsstabil und zeichnen sich durch eine hohe Resistenz gegen Chemikalien aus, darüber hinaus ist es wenig anfällig für Spannungsrisse.

Anwendungen:
PA 12 findet zunehmend in der Herstellung von Prothesen Anwendung, aber auch für druck- und schlagfeste Kraftstoffleitungen im Automobilbau und der Flugzeugfertigung wird es verwendet. Im 3D-Druck wird hauptsächlich PA 12 verwendet (z. B. HP Multi Jet Fusion – PA 12).

Strukturformel:

Strukturformel PA 12

Relevanz für den 3D-Druck

Während alle Polyamide für die Produktion von Kunststoffobjekten eine hohe Bedeutung haben, hat PA 12 für den 3D-Druck eine herausragende Bedeutung gewonnen. Das Polyamid wird für die 3D-Druckverfahren Lasersintern (SLS) und HP Multi Jet Fusion verwendet. Bei beiden Verfahren handelt es sich um Pulverbettverfahren, welche gegenüber anderen 3D-Druck Technologien eine deutlich erhöhte Produktivität aufweisen.
Die dadurch erzielten geringeren Stückpreise, zusammen mit der erzielten hohen Qualität der Bauteile (Dimensionsstabilität, mechanische und chemische Beständigkeit) führen zu einer konstant hohen und weiter wachsenden Nachfrage nach diesem 3D-Druckmaterial.

3Faktur Mitarbeiter an Multi Jet Fusion Anlagen

3D-Drucker HP Multi Jet Fusion 4200 zur Verarbeitung von PA 12 (Foto: 3Faktur).
Die Anlage verarbeitet PA 12, PA 12 Compounds (bspw. mit Glasperlen) sowie PA 11. Das Rohmaterial ist pulverförmig (Korngröße ca. 60 µm) und wird während des Druckprozesses schichtweise verschmolzen. Mehr zu diesem Verfahren finden Sie hier: HP Multi Jet Fusion bei 3Faktur.


Andere wichtige Kunststoffe im industriellen Bereich

Die Kunststofffamilie der Polyamide beinhaltet einige der bedeutendsten technischen Kunststoffe. Aber auch andere Kunststoffe spielen für industrielle Anwendungen eine wichtige Rolle. Nachfolgend haben wir eine kleine Übersicht über weitere wichtige Polymere (POM; PP; PC; ABS) zusammengestellt.

POM

Polyoxymethylen:

  • hohe Festigkeit, Steifigkeit und Härte (weit gefasster Temperaturbereich)
  • niedriger Reibungskoeffizient und hohe Abriebfestigkeit
  • hohe Wärmeformbeständigkeit
  • geringe Wasseraufnahme

Bedeutung für 3D-Druck:

POM kann für das FDM-Verfahren verwendet werden. Das Material wird derzeit jedoch nur in geringem Umfang im 3D-Druck verwendet.

Strukturformel Polyoxymethylen

Strukturformel POM

PC

Polykarbonat:

  • fast amorpher Hochleistungskunststoff
  • nicht lösungsmittelfest
  • hohe Bruch- und Schlagfestigkeit
  • fast glasklar, dauerhaft bedruckbar

Bedeutung für den 3D-Druck:

Kann, ähnlich wie POM für das FDM-Verfahren verwendet werden. Auch Polykarbonat spielt jedoch derzeit im 3D-Druck eine untergeordnete Rolle.

Strukturformel Polycarbonat

Strukturformel PC, R = Rest

PP

Polypropylen:

  • in Reinform leichtester und härtester Kunststoff
  • physiologisch unbedenklich
  • kostengünstig herstellbar
  • Variantenreich -verschiedene technische Parameter produzierbar

Bedeutung für den 3D-Druck:

Kann in Pulverform verwendet werden (teilkristallin), daher geeignet für das Selektive Lasersintern und bald auch für Multi Jet Fusion. Steigert seine Bedeutung schnell und nachhaltig.

Strukturformel Polypropylen

Strukturformel PP

ABS

Acrylnitril-Butadien-Styrol:

  • gut weiterverarbeitbar (Kleben, Schweißen, Spanen)
  • gute mechanische Dämpfung und Schalldämpfung
  • in verschiedenen Farben herstellbar
  • hohe Schlagfestigkeit und Oberflächenhärte
  • mäßige Witterungsbeständigkeit (insbesondere UV-Strahlung)

Bedeutung für den 3D-Druck:

Das im FDM-Verfahren verbreitetste Polymer. Für Pulverbettverfahren nicht geeignet.

Strukturformel ABS

Strukturformel ABS


Die Materialdatenblätter zu den genannten Materialien. Bitte beachten Sie, dass die Daten zum Teil von externen Quellen stammen und sie nur zu einer groben Orientierung dienen.

∗Quelle 1: polymehr GmbH; Quelle 2: Polytron Kunststofftechnik; Quelle 3: Advanc3D Materials; Quelle 4: HP/3Faktur; Quelle 5: Laminated Plastics


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Über 3Faktur: 3Faktur ist ein 3D-Druck-Dienstleister. Wir sind Spezialisten im 3D-Druck von Kunststoffobjekten für das Rapid Prototyping (geringe Stückzahlen) und die Additive Fertigung von Kleinserien (Rapid Manufacturing). Kontaktieren Sie uns.


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